Letzte Welten by Steven Heighton

Letzte Welten by Steven Heighton

Autor:Steven Heighton [Heighton, Steven]
Die sprache: deu
Format: epub, mobi
veröffentlicht: 2012-02-19T09:55:38+00:00


Ein paar Tage später bringt Tukulito bei Einbruch der Dunkelheit Punnie nach draußen zur neuen Latrine, da die alte in der Nacht, als das Eis auseinanderbrach, verschwunden ist. In ein, zwei Jahren werden Walfänger sie vielleicht auf ihrer eigenen winzigen Scholle über die Wellen tanzen sehen und ihren Augen nicht trauen. Die Ersatzlatrine ist eine schmale Grube, angelegt hinter einem Hügel, der die Rückwand bildet, mit zwei Seitenwänden aus groben Schneeblöcken, die als Windschutz dienen. Das Ufer ist nur ein Dutzend Schritt entfernt, doch bei der letzten Kältewelle sind alle Wasserrinnen zugefroren, und die Scholle und die gewaltigen Eisberge bilden nun wieder eine geschlossene Packeisfläche, die sich langsam nach Süden schiebt.

Als sich Mutter und Kind Hand in Hand der Latrine nähern, vernehmen sie ein leises Gemurmel aus Richtung der abgewandten Hügelseite. In deutscher Sprache. Und dies, obwohl die Mannschaft ihre eigene Latrine hat.

Tukulito bleibt stehen und ruft: Ja? Wer ist da?

Du weißt doch genau, wer!

Sie kann die schrille, aggressive Stimme niemandem zuordnen, doch schon kommt Jamka mit seinen Glubschaugen um den Hügel herumgewankt, zieht sich im Näherkommen mit schmutzigen Händen die Fellhosen hoch. Seine nackten, behaarten Füße stehen lilarot-geschwollen im Schnee. Er trägt keinen Anorak, nur eine Seemannsjacke. Über seinem verfilzten Bart hebt sich die scharfe Nase dunkel gegen sein allzu weißes Gesicht ab. Sie hat ihn seit Wochen nicht draußen gesehen.

Du hast mich direkt angeschaut!, sagt er in hinterhältigem Ton.

Aber Sie waren doch auf der Latrine, Mr Jamka.

Ah!, erwidert er triumphierend, wie kannst du so was wissen, ohne hinzusehen?

Außerdem haben Sie sich vielleicht in der Dunkelheit vertan, Sir. Dies hier ist nicht Ihre Latrine.

Aber es ist überhaupt nicht dunkel, meine Liebe, guck dich doch mal um!

Ein ächzendes Knacken durchläuft das neue Eis, und Jamka verdreht die Augen, bis das Weiß im Zwielicht hell aufleuchtet. Von der Unterseite der Scholle dringt ein mächtiges Schmatzen und Röcheln empor. Als es nachlässt, kehrt der verschlagene Ausdruck in Jamkas Gesicht zurück. Unter dem geschrumpften Leib wirken seine knielangen Hosen wie die dicken, dichtbehaarten Schenkel eines Satyrs. Punnie scheint er immer noch nicht wahrzunehmen.

Vielleicht hast du ja die ganze Zeit gewusst, dass ich hier war, sagt er in einem Ton, als wäre er stolz auf seine Schlauheit. Wir wissen immerhin einiges über die Indianerweiber, mein Gott, ja!

Er läuft ihr die letzten Schritte entgegen, legt ihr beide Hände auf die Schulter und zieht sie an sich. Punnie, die sich an ihrer Mutter festhält, wird buchstäblich mitgerissen.

Lassen Sie mich sofort los, Mr Jamka, wir sind gekommen, weil das Kind dringend –

Ach, sprich doch nicht auch noch von Kinderchen! Jamka drückt ihr stachlige Küsse auf die Wangen, während er versucht, sie rücklings aufs Eis zu werfen. Sie quetscht ihm mit dem Handballen die verschleimte Nase zusammen. Doch so mager er auch sein mag, rein körperlich ist er ihr haushoch überlegen. Er ringt sie brutal nieder, und Punnie, die immer noch unbemerkt danebensteht, als wäre sie ein Geist, stürzt nun mit ihnen zu Boden. Anaana!, schreit das Kind, windet sich unter seinem pelzigen Oberschenkel hervor und springt hoch.



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